MITTEKILL

2012 dann der Ritterschlag: „All But Bored, Weak, and Old“ erscheint beim Label Staatsakt.Greiling ist mittlerweile mehr Theater-Musiker (Turbo Pascal, Interrobang), weniger Musik-Musiker. Und als Vater eines Sohnes leistet er sich keine „Ochsentouren“ mehr. Trotzdem veröffentlicht er 2016 mit „Die Montierte Gesellschaft“ das politischste und gediegenste MITTEKILL-Werk, ein Konzeptalbum zur aktuellen Flucht-Thematik. Aufnahmen aus diversesten Situationen
– u.a. vom Balkan (Fluchtroute 2015) – werden dafür zusammenmontiert. Die Aufführung erfolgt mit 6-köpfiger Live-Band, samt Pauken und Trompeten. Ab hier ist MITTEKILL gefühlt meilenweit entfernt von den schrillen Anfangstagen. Greiling begibt sich in wortlose Ambient-Gefilde. „Leaving the Wor_d“ wird im ersten Corona-Jahr 2020 veröffentlicht: dunkel, experimentell, melancholisch und schön. Mit „Can You Viel It“ folgt eine Reihe stilistisch homogener
Tracks. Das sechste Album „Phantom Club“ (2022) stellt eine musikalische Rückbesinnung dar, legt aber politisch nochmal einen Zahn zu. Unterdessen entdeckt die deutschsprachige Corona-Jugend den immergrünen Hit „Wasser oder Wodka“. Die Millionenmarke auf (dem in militärische Forschung investierenden) Spotify wird geknackt. Dauernd senden Kids aus dem MITTEKILL-Umfeld Videos von Partys, wo das Teil gerade läuft. Ein Kreis schließt sich.
Wir schauen u.a. zurück auf eine seltsam brüchige Geschichte. Ein zünftiger Abriss ist geplant.

Seit gefühlt 20.000 Jahren (oder waren es doch 20?) macht MITTEKILL tolle Musik zwischen Agit-Pop, Politik, Pathos, Pose und Posse. Melodischer Techno und Elektropop, der Schlager, Tanzflur, Verzweiflung und Euphorie vereint. Scheppernder Elektropunk steht neben Chanson, Paranoia neben feinem Humor, verpackt in lustvolle Reimtechnik, Wortschöpfung und -verdrehung. MITTEKILL hören heisst die Dystopie wattiert zu spüren.

Aber nochmal auf Anfang.

„Habe Hits, suche Könner“, inseriert Friedrich Greiling Anfang 2001 im Berliner Stadtmagazin Zitty. Songs schreiben kann er, doch seine Musikproduktionskenntnisse sind damals noch lausig. Jan Hohmann meldet sich und fortan bilden sie das Gründungsteam von MITTEKILL. Nach zwei Jahren Schlafzimmerproduktion findet das erste Konzert im neu eröffneten Plattenladen Leyla M. statt. Greiling geht mit SequencerProgrammen auf stilistische Weltreise, Manager (und unsichtbares drittes Bandmitglied) Oliver Wiehe versucht Stringenz ins Chaos zu bringen. Das daraus resultierende Debüt „Stringenz des Wahnsinns“ erscheint 2007 auf Kitty-Yo. MITTEKILL machen ihre Diversität zum „Trademark“ (Popmonitor).
Greiling gerät in den Sog von Theaterproduktionen, die die Sache stilistisch weiter „verkomplizieren“. 2009 kommt das Album „You Are Home“ mit dem schön debilen Partyhit „Wasser oder Wodka“. Nach der Trennung von Hohmann betreibt Greiling das Projekt MITTEKILL weiter, zusammen mit Schlagzeuger Sven Ulber als kongenialem Partner.